In einem offenen Brief hatte die Stadtratsfraktion der Grünen bereits eine unzureichende Bürgerbeteiligung bemängelt und verschiedene Verbesserungsvorschläge an die SWP adressiert. Nun legen die Kritiker der geplanten Änderungen im Passauer Busverkehr nach und fordern eine Vertagung der ÖPNV-Entscheidung zu diskutieren, damit zunächst die Bürger*innen ausreichend befragt und beteiligt werden können. „Die beiden Informationsveranstaltungen, an denen unsere Fraktion zahlreich teilgenommen hat, haben unseren Eindruck der vergangenen Wochen bestätigt, dass es hier noch einen erheblichen Diskussionsbedarf gibt“, sagt Fraktionsvorsitzende Stefanie Auer. „Bei derart tiefgreifenden Änderungen im ÖPNV-Angebot ist es unerlässlich, die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und ernsthaft einzubeziehen. Ihre Hinweise und Bedürfnisse müssen in die Entscheidung einfließen. Und wir erwarten von den Stadtwerken, dass sie zeitnah darlegen, wie sie mit den eingebrachten Änderungswünschen umgehen.“
Die Fraktion der Grünen fordert deshalb, die endgültige Entscheidung in den Herbst zu vertagen und die Sommermonate zu nutzen, um die Bürger abstimmen zu lassen. „Wir wollen eine Befragung, um ein möglichst repräsentatives Meinungsbild der Passauer Bevölkerung zu bekommen.“ Niedrigschwellig, als QR-Code zu einer Online-Befragung an Haltestellen in Bussen oder mit analogen Fragebögen zum Beispiel am ZOB, sollen die Menschen die Möglichkeit bekommen, ihre Stimme in die Entscheidung über die Zukunft des Passauer Busverkehrs einfließen zu lassen, so der Vorschlag der Grünen. „Mit zu vielen offenen Fragen und fehlender Beteiligung der Bürger fehlt es an einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage. Wir können als Stadträtinnen und Stadträte hier nur sorgfältig abwägen, wenn wir nicht nur die wirtschaftliche Argumentation der Stadtwerke, sondern auch ein Votum der Bevölkerung haben.“
Eine Blaupause dafür gibt es bereits mit der erst kürzlich stattgefundenen Umfrage zur Gelben Tonne der ZAW, die per Telefonbefragung und Online-Fragebogen stattgefunden hat, argumentieren die Grünen. „Die Beteiligung lag hierbei mit zehn Prozent überraschend hoch und die Ergebnisse sind für die finale Entscheidung eine große Hilfe. Warum sollen wir dieses Positivbeispiel für Bürgerbeteiligung nun nicht auch beim ÖPNV nutzen?“, fragt Matthias Weigl. Fehlende Transparenz beim Zahlenwerk ist ein weiterer Kritikpunkt: „Es braucht verständliche Auskünfte, welche konkreten finanziellen Auswirkungen die Effizienzsteigerungen und Fahrplanoptimierungen, von denen die Fahrgäste angeblich nichts merken würden, sowie die tatsächlichen Einschnitte wie Fahrplanausdünnungen oder die Streichung des Abendverkehrs jeweils zur Folge hätten. Solche konkreten Beispiele vermissen wir. Die Stadtwerke müssen hier noch mehr liefern.“ Auch weisen die Grünen auf einen weiteren Aspekt hin, der bisher noch nicht berücksichtigt wurde: „Gerade erst wurde eine Studie veröffentlicht, die den volkswirtschaftlichen Nutzen des ÖPNVs eindrucksvoll beziffert. Das gilt auch regional. Wir dürfen nicht vergessen, wie viele Leute auf dem täglichen Weg von und zur Arbeit auf funktionierende und attraktive Busverbindungen angewiesen sind. Die enormen Pendlerströme können wir doch mit politischen Entscheidungen nicht sehenden Auges noch mehr auf das Auto verlagern. Damit bekommen wir noch längere Staus, wo doch eigentlich das Gegenteil das Ziel sein sollte.“ Schließlich seien durch den Wegfall vieler Busfahrten auch zigtausende zusätzliche Autofahrten vorherzusehen.
Dr. Stefanie Wehner möchte, dass man alle Bevölkerungsgruppen in Passau in den Blick nimmt „Insbesondere unsere mehr als 10.000 Studierenden sind vielfach auf den ÖPNV angewiesen und unterstützen die Stadtwerke seit Jahren solidarisch über das Semesterticket. Auch Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Beeinträchtigungen müssen wir die Möglichkeit geben, sich einzubringen.“ Zudem solle auch mehr Wert auf das Ziel gelegt werden, die Fahrgastzahlen zu erhöhen und mehr Menschen zum Einsteigen in den Stadtbus zu begeistern: „Das kommt bisher viel zu kurz, könnte aber auch einen bedeutenden wirtschaftlichen Effekt haben. Mehr Fahrgäste kaufen auch mehr Tickets.“
Matthias Weigl, der sich bereits bei der SWP-Veranstaltung in Grubweg für einen nachhaltigen ÖPNV-Zuschuss aus dem städtischen Haushalt ausgesprochen hatte, möchte auch zu diesem Thema gerne die Stimmung der Bevölkerung einholen: „Was uns der ÖPNV als Stadt wert ist, darüber sollen doch auch die Menschen mitbestimmen, die die Entscheidung am meisten betrifft. Jetzt ist die Gelegenheit von gelebter, direkter Demokratie. Statt wachsender Unzufriedenheit ist eine vollwertige Beteiligung gefragt.“ Ein repräsentatives Stimmungsbild soll es zudem auch über die Frage geben, ob die Finanzierung über Erhöhungen der Abgaben für den motorisierten Individualverkehr erfolgen soll. Irgendwo müsse das Geld für den ÖPNV herkommen, auch wenn es von der Stadt bezuschusst wird. „Das kann man nicht allein über die Ticketpreise für die Busse regeln, denn im großen Stil Fahrgäste zu verlieren, können wir uns schlichtweg nicht leisten“, steht für Boris Burkert fest.
„Das Ergebnis wäre eine Abwärtsspirale: Immer weniger Fahrgäste, immer weniger gut ausgelastete Fahrten, erneut wachsende Einnahmenverluste, neue Fahrplankürzungen und dasselbe wieder von vorne. Man muss bedenken, dass durch die Einschränkungen beim Abendverkehr auch die hiesige Gastronomie und Kulturszene beeinträchtigt wird“, merkt Diana Niebrügge an.
Die Befragung soll Erkenntnisse über Nutzungsverhalten, Bedürfnisse, Optimierungsvorschläge, Kritikpunkte und Lösungsmöglichkeiten zur Zukunft des ÖPNVs liefern. Auch soll geklärt werden, mit welchen Maßnahmen sich die Fahrgastzahlen nach Meinung der Passauerinnen und Passauer verbessern ließen. „All das muss für die endgültige Entscheidung im Stadtrat berücksichtigt werden“, steht für die Grünen-Stadtratsfraktion fest. Einen entsprechenden Antrag würden sie gerne vor der Sommerpause noch ins Stadtratsplenum einbringen. „Wir laden alle Fraktionen ein, denen die Beteiligung der Passauer Bevölkerung am künftigen ÖPNV-Angebot ebenfalls ein wichtiges Anliegen ist, diesen Antrag parteiübergreifend einzubringen“, betonen die Grünen.
Karl Synek fasst für seine Fraktion zusammen: „Wir brauchen Planungssicherheit für die Stadtwerke, aber auch eine umfangreiche Entscheidungsgrundlage. Und die gibt es nur, wenn in einer Befragung auch die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden. Dagegen kann nur sein, wer auf den ÖPNV keinen großen Wert legt und die Kürzungen gerne so schnell es geht durchwinken will.“ Stefanie Auer ergänzt: „Wir danken den Stadtwerken für die Veranstaltungen – auch wenn sie spät kamen und der Unmut vieler verständlich war. Die Diskussionen zeigen: Der ÖPNV bewegt die Menschen. Veränderungen sind nötig, aber sie gelingen nur gemeinsam und mit Transparenz.“
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