Haushalt

Haushaltsrede der Fraktionsvorsitzenden Stefanie Auer

Ja, also, der Inhalt ist ja schon gut. Mmh, ja, das könnte etwas sein für Passau. Ach, Mist, der Antrag ist von den Grünen. Na dann lehnen wir mal besser ab. Wollen ja nicht, dass die ’nen Erfolg haben.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ja, dieses Szenario ist schwarz-weiß und

ja, es wird der Wahrheit auch nicht gerecht. Zumindest wird’s ihr nicht ganz gerecht. Aber Hand aufs Herz, meistens ist es doch so: Wir können beantragen, was wir wollen und haben keine Chance, etwas zu erreichen.

„Es fehlen der Wille und Mut, die Zukunft zu gestalten!“

Stefanie Auer, Fraktionsvorsitzende

Und das, obwohl zum Teil selbst eine Person aus der Verwaltung für unseren Antrag argumentiert. Ein Beispiel: Wir haben beantragt, dass die Stadt Passau der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beitritt. Dabei handelt es sich um eine neue kommunale Initiative für stadtverträglichen Verkehr.

Gemeinsam wollen die Städte mit der Initiative eine Anpassung des Straßenverkehrsrechts auf Bundesebene erreichen, damit die Kommunen den entsprechenden Handlungsspielraum haben, dort Tempo 30 vorzuschreiben, wo es die Stadt für sinnvoll hält und nicht der Gesetzgeber, der es pauschaliert und die Gegebenheiten vor Ort nicht kennt.

Zur Erinnerung, welche Vorteile das hätte:

  • Die Straßen werden wesentlich sicherer, gerade für die besonders Gefährdeten, wie Kinder und Senior*innen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs beziehungsweise mobilitätseingeschränkt sind.
  • Die Straßen werden leiser – und das Leben für die Menschen, die an diesen Straßen wohnen, deutlich angenehmer und gesünder.
  • Bei Gewährleistung eines guten Verkehrsflusses kann auch die Luft in den Straßen sauberer werden, was allen zugutekommt, die hier unterwegs sind.

Die Leistungsfähigkeit für den Verkehr wird durch Tempo 30 nicht eingeschränkt, die Aufenthaltsqualität dagegen spürbar erhöht. Wichtig ist uns zu betonen: Tempo 30 ist eine Maßnahme für die Städte und Gemeinden und die Menschen, die dort wohnen – es ist keine Maßnahme, die sich gegen den Autoverkehr richtet.

Was macht eine Mehrheit im Ausschuss? Lehnt den Antrag ab. Dabei haben wir über die Situation in der Innstraße gesprochen, in der es einen Wechsel von Tempo 30 auf Tempo 50 und wieder auf Tempo 30 gibt. Als ein Ausschussmitglied wissen will, könnte man hier nicht durchgängig Tempo 30 machen, ist die Antwort der Verwaltung: „Das geht nicht, weil es das Bundesgesetz nicht erlaubt.“ Ja und genau deshalb brauchen die Kommunen einen besseren Handlungsspielraum bei Tempo 30. Wir wissen doch vor Ort besser, wo Tempo 30 sinnvoll ist.

Aber nein, es ist ein grüner Antrag, also wird er abgelehnt mit Gründen, die so massiv an den Haaren herbeigezogen sind, dass es weh tut.

Aber jetzt einmal etwas Positives:

Herr Sturm und ich hatten nach der Haushaltsdebatte im vergangenen Jahr ausgemacht, dass wir auch etwas Positives sagen. Projekte nennen, in denen fraktionsübergreifend zusammengearbeitet wird. Zur Erinnerung kurz: Herr Sturm hat alles vermeintlich „Böse“ in seiner Rede mit „die Mangolds“ und „die Auers“ tituliert. Statt einzelne Kolleginnen oder Kollegen einzeln anzusprechen, oder sollte ich besser sagen anzugreifen, will ich – wie mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden ausgemacht – drei Beispiele nennen, in denen zum Wohl für Passau fraktionsübergreifend zusammengearbeitet wurde:

  1. Haus der Generationen
  2. Erhalt Seniorenheim Mariahilfberg
  3. Machbarkeitsprüfung für eine weitere Innquerung für den Radverkehr

Sie sehen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Es gibt sie, die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit.

Das Zusammen statt gegeneinander.

Ich würde mir für Passau wünschen, dass das öfter vorkommt.

Der uns heute vorliegende Haushaltsentwurf ist solide und ließe sicher jede Kämmerei beruhigt auf ihre Arbeit blicken. An dieser Stelle geht der Dank unserer Fraktion an Herrn Denk und Kolleginnen sowie Kollegen. Wir, die wir die Verantwortung im Stadtrat tragen, sind aber keine Finanzverwaltungsangestellten, wir sind die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Menschen in Passau.

Und der Haushalt stellt unserer Meinung nach auch eine Abrechnung für die Stadtpolitik des Oberbürgermeisters und einer Mehrheit des Stadtrats dar. Und wie sagt man so schön bei uns: „Do feids vom Boa weg.“

Deshalb haben wir auch einzelne Haushalte in den Ausschüssen bereits abgelehnt, und es gibt große Themenbereiche, mit denen wir so unzufrieden sind, dass eine Zustimmung heute nicht möglich ist.

Und dafür werden wir GRÜNE uns weiterhin im Stadtrat einsetzen

1. Verkehrswende

Wir alle dürften uns darin einig sein, dass Passau mehr und mehr am Verkehr erstickt. Wir reden also viel über die Probleme: Eine steigende Zahl von Einpendler*innen, die wir natürlich auch brauchen. Unzureichende Radverkehrsinfrastruktur. Zunahme des Schwerlastverkehrs. Staus, die zunehmen. Eine angeblich zu geringe Nachfrage beim Bus. Schlechte Verbindungen, sei es mit Rad oder Bus in den Landkreis.

Und Lösungen? Da wird höchstens darüber gesprochen: P&R, Umsteigezentrum Salzweg, Förderungen Sharing-Angebote im Bereich Mobilität, Radwege Landkreisgemeinden, attraktives ÖPNV-Angebot. Mutige, neue Wege anpacken wie Reaktivierung Schiene Innstadt, Umbau zu einer wirklichen fahrradfreundlichen Stadt.

Nix.

Aber wen wundert das schon, wenn wir einen Oberbürgermeister haben, der öffentlich sagt: „Wir brauchen keine Verkehrswende.“ Doch, tun wir.

Und ja, viele Menschen sind bei uns jetzt und auch zukünftig auf ein Auto angewiesen. Das ist eben so. Aber wir sollten Möglichkeiten schaffen, dass immer mehr Personen ihr Auto auch stehen lassen können.

2. Effektiven Klimaschutz

Zur Erinnerung: Selbst wenn wir das Konzept umsetzen, kommen wir damit nicht auf den 1,5-Grad-Pfad. Wir als Kommune verfehlen unseren Beitrag zum Klimaschutz.

Auch die Behauptung, mehr Klimaschutz sei in Passau nicht möglich, spiegelt dabei die Mut- und Ambitionslosigkeit dieses Konzeptes wider. Ein zielführendes Klimaschutzkonzept ist jedoch längst kein Nice-to-have mehr. Es sollte die Grundlage bilden für die zukünftige Lebensqualität in unserer Stadt.

So, und jetzt haben wir ein Konzept, mit dem ein Teil des Stadtrats unzufrieden ist. Und weil das noch nicht reichen würde, ist die Umsetzung intransparent. Nicht nur unsere Fraktion hat gebeten, dass es mal wieder eine Besprechung zur Umsetzung gibt, aber nichts.

Wie sollen wir also bitteschön sinnvoll Anträge hierzu stellen, wenn nicht bekannt ist, was gerade gemacht wird?

Böse Zungen würden jetzt behaupten, dass diese Intransparenz Absicht ist, weil dann können natürlich keine kritischen Nachfragen kommen. Wie schaut’s denn aus mit den Local energy communites? Als Beginn ist hier 2022 vermerkt und das Projekt wird wie folgt erklärt: „Eine Gemeinschaft aus Bürgerinnen und Bürger, Stadt, Stadtwerken und interessierten Unternehmen können zusammen Gelder bereitstellen und interessante sowie nachhaltige Projekte umsetzen, die langfristig für die Energiewirtschaft Passaus sinnvoll sind, die jedoch ohne die Unterstützung Dritter derzeit nicht umgesetzt werden können. Dies beschleunigt den Umstieg auf nachhaltige Energieversorgung. Zum Beispiel könnten so neue Hackschnitzelheizwerke, Strombojen oder Agri-PV etabliert werden, wenn sich genügend Interessenten zur Unterstützung finden. Weiterhin können diese Projekte als ‚Lokale CO2-Kompensation‘ etabliert werden.“

Wo bleibt das Solarkataster? Das hätten wir beispielsweise extra beantragt, findet sich im Klimaschutzkonzept wieder und hätte bereits 2022 zur Verfügung stehen sollen.

Wie schaut’s aus mit einem städtischen Zuschuss privater PV-Anlagen und Heimspeicher? Vermerkter Beginn hier 2022 und 2023 Beschluss des Förderprogramms im Stadtrat? Unsere Fraktion hat hierzu auch einen Antrag eingereicht, dass es einen Fördertopf für Balkonkraftwerke geben soll. Meine Kolleginnen und Kollegen, wenn dieser wieder abgelehnt wird, stimmen sie wieder einmal gegen das Klimaschutzkonzept.

Ich könnte die Liste jetzt noch lange fortsetzen und nenne noch zwei Leitprojekte, die 2022 beginnen hätten sollen: Erstens, Festlegung von Energiestandards für Bebauungspläne/Bauleitplanung sowie zweitens solare Baupflicht für Gewerbegebiete.

3. Kleine Puzzleteile:

Ausländerbehörde

Wir haben hier erhebliche Bedenken, dass die personelle Aufstockung ausreichend ist. Unseres Wissens sind gerade auch sehr viele unserer ausländischen Studierenden davon betroffen, dass ihre Anträge nicht annähernd zeitnah bearbeitet werden.

Kulturelles Leben

Wir haben in Passau schon ein abwechslungsreiches kulturelles Angebot. Aber wäre es nicht schön, wenn es sich weiterentwickelt? Ich denke dabei beispielsweise an die Clubszene oder Orte wie die Tabakfabrik, den Zauberberg. Oder eine Veranstaltungsreihe wie die „Wochen zur Demokratie“. Wir erwarten hier eine sachliche Diskussion und einen Oberbürgermeister, der seine Verwaltung anweist, dass ermöglicht wird, was rechtlich zulässig ist, und keine unnötigen Hürden vor allem für junge, engagierte Leute aufgebaut werden.

Tierheim

Unabhängig vom Träger braucht’s mehr Geld. Tiere, für die wir als Kommune verantwortlich sind, in anderen Tierheimen außerhalb Passaus unterzubringen, ist keine Lösung auf Dauer. Wir werden weiterhin jedes Jahr den Antrag stellen, dass wir im Haushalt mehr Geld für die Unterbringung von Tieren einstellen.

Videoüberwachung

Wir brauchen keine Videoüberwachung. Der Schritt, eine mobile Videoüberwachungsanlage zu kaufen, geht in die falsche Richtung.

Stadtentwicklung aktiv angehen

Es drängt sich der Eindruck auf, dass es keinen Plan gibt, wie sich unsere Stadt hinsichtlich Gewerbe und Wohnen entwickeln soll. Statt eines Konzepts wird immer in einem Stückwerk entschieden, was/wo/wer baut. Und das bringt uns auch in so unsägliche Situationen, dass wir einen Wald für ein Gewerbegebiet roden wollen. Das führt dazu, dass immer mehr Familien aus Passau wegziehen. Wir haben in Passau nur ein eingeschränktes Potenzial, uns baulich zu entwickeln, und das sollten wir als Stadt machen und nicht Investorinnen und Investoren überlassen oder hoffen, dass es am Ende schon passen wird.

Zusammenfassend lehnen wir als GRÜNE Stadtratsfraktion den Haushalt ab. Wir lehnen ihn ab, weil wir mit der Politik des Oberbürgermeisters und einer Mehrheit des Stadtrats unzufrieden sind. Unsere Anträge in der Regel abgelehnt werden. Passau nur verwaltet statt gestaltet wird.

Wir sehen eine positive Entwicklung der Stadt gefährdet, wenn’s so weiter geht, und können den Haushalt deshalb nicht mittragen.

Es fehlen der Wille und Mut, die Zukunft zu gestalten!


Lesen Sie hier die Haushaltsrede 2020 und die Haushaltsrede 2021 nach!