Offener Brief an Jürgen Dupper: Ihre Rolle als SWP-Aufsichtsratsvorsitzender

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dupper,

mit wachsender Sorge beobachten wir die Entwicklungen der Stadtwerke und die aktuelle Debatte um den ÖPNV. Da Sie in Ihrer Mehrfachfunktion auch als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Passau unserer Ansicht nach eine maßgebliche Verantwortung für die derzeitige Gesamtsituation tragen, sprechen ihre wenigen öffentlichen Äußerungen Bände. Weder gab es Ihrerseits eine Positionierung oder gar Kompromissvorschläge zu den geplanten ÖPNV-Änderungen und Fahrplanausdünnungen, noch trugen Sie bisher eine konstruktive Idee bei und erklärten, wie die Sanierung der Stadtwerke und der seit Jahren stetig wachsende Investitionsbedarf Ihrer Meinung nach zu bewältigen ist. In derart turbulenten Zeiten erfordert es jedoch genau das: Eine Einordung und öffentliche Erklärung, wie die Zukunft der Stadtwerke nach Ansicht des Aufsichtsratsvorsitzenden und Oberbürgermeisters gesichert werden und der Konzern nachhaltig auf eine wirtschaftlich solide Basis gestellt werden kann, ohne dabei auf massive Angebotsreduzierung und Preissteigerungen zuzusteuern.

Dies gilt in besonderer Weise beim ÖPNV, der ein wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge ist. Bei der einer der Infoveranstaltung der SWP zitierte ein Bürger die Bayerische Verfassung. In Artikel 151 steht dort: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle (…)“. Bisher wurden die geplanten Änderungen seitens des Stadtwerke Konzern als wirtschaftliche Notwendigkeit dargestellt, um handlungsfähig zu bleiben in Anbetracht eines rund 300 Millionen Euro schweren Investitionsbedarf bis 2035. Um hier eine nachhaltige Entwicklung zu sichern, braucht es endliche eine neue Finanzierungsvereinbarung und unserer Ansicht nach einen regelmäßigen Zuschuss der Stadt Passau für das ÖPNV-Angebot. Wir schlagen hier einen Richtwert von einem Drittel des jährlichen des Defizits durch den Betreib des Busnetzes vor, der jedoch zwei Millionen nicht übersteigen soll.

Der Faktor der Wirtschaftlichkeit sollte auch auf regionaler Ebene nicht übersehen werden. Eine Studie der TU München kam zum Ergebnis, dass der öffentliche Personennahverkehr zwar hohe Kosten verursache, aber jeder investierte Euro der Volkswirtschaft einen Nutzen von drei Euro bringt. Die tatsächliche Wertschöpfung dürfte deutlich höher liegen, da einige Effekte aus methodischen Gründen nicht vollständig berücksichtigt werden konnten. Auch der Tourismus profitiere in Städten und Ferienregionen von guter ÖPNV-Erreichbarkeit. Dies sollte auch in der Passauer Debatte stärker berücksichtigt werden. Wir brauchen ein gutes Angebot nicht nur als Rückgrat der Mobilität, sondern auch für unsere heimische Wirtschaft. Den ÖPNV unpraktischer und unattraktiver zu machen, stärkt letztlich den motorisierten Individualverkehr. Dabei sollte eine gleichwertige Alternative erreicht werden. Mit den vorliegenden Kürzungsmaßnahmen entstehen noch längere Staus.

Nicht nur unternehmerische, auch politische Verantwortung ist jetzt gefragt. Diese vermissen wir bei einem Aufsichtsratsvorsitzenden, der sich bislang von der Debatte fernhält, statt den Dialog zu suchen. Dem Verkehrsmeister Joshua Eberstein gebührt unser Respekt. Er hat an den beiden Informationsabenden der SWP während seines Vortrags den meisten Unmut aus der Bevölkerung zu spüren bekommen. Sie hingegen haben Ihre Verantwortung als Aufsichtsratsvorsitzender und Oberbürgermeister bislang nicht in einer vermittelnden und lösungsorientierten Art wahrgenommen. Wir bitten daher dringend, das Kommunikationsdefizit nicht noch weiter zu verschlechtern und den Blick stattdessen auf die Antworten zu richten, die wir als politischer Akteure geben müssen.

Wir bedauern, dass bislang auch aus der SPD-Fraktion – deren Mitglied Sie sind und die als stärkste Kraft im Stadtrat maßgeblich zur politischen Willensbildung beiträgt – weder öffentlich noch im Rat tragfähige Vorschläge zur nachhaltigen Sicherung des ÖPNV vorgelegt wurden. Eine zukunftsfähige Lösung braucht aber mehr als Schweigen oder Zustimmung zur Kürzung. Deshalb laden wir auch Ihre Fraktion ausdrücklich ein, gemeinsam mit uns an einem Konzept zu arbeiten, das dem öffentlichen Nahverkehr in Passau eine Perspektive gibt – im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger.

Wir haben uns in Vergangenheit mit mehreren Vorschlägen geäußert, um das Busangebot in Passau mindestens auf dem jetzigen Niveau zu sichern. Einerseits der regelmäßige städtische Zuschuss, um das ÖPNV-Defizit auszugleichen. Dies stieß Ihrerseits bisher auf vehemente Ablehnung. Andererseits wollen wir eine stärkere Einbindung der Bürger*innen und umfangreiche Beteiligungsmöglichkeiten. Dies halten wir für eine solide Entscheidungsgrundlage des Stadtrates für unabdingbar. Auch hier stießen wir bislang auf keine Unterstützung Ihrerseits. Wir begrüßen es, wenn Sie Ihre Haltung zu diesen Vorschlägen überdenken.

Es braucht einen tragfähigen Kompromiss, mit dem es gelingt, die Stadtwerke in eine nachhaltig stabile Lage zu versetzen und Handlungsspielraum zum dringend notwendigen Abbau des Investitionsstaus zu schaffen, den man viel zu lange aufgeschoben hat. Andererseits gilt es die Interessen der Fahrgäste sowie den Stellenwert des ÖPNVs als regionalen Wirtschaftsmotor ausreichend zu berücksichtigen.
Wir sind überzeugt, dass es beim ÖPNV ein grundlegendes Umdenken braucht. Dies wird jedoch nur erfolgreich gelingen, wenn Sie die Entwicklungen nicht weiter nur als Randfigur beobachten. Das neue Konzept sollte eigentlich zum obersten Ziel haben, die Fahrgastzahlen zu erhöhen und das Defizit nicht nur durch eine Angebotsreduzierung zu mildern.

„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ – Albert Einstein

Die Stadt Passau würde über Jahrzehnte davon profitieren, wenn wir uns jetzt auf den Weg machen und endlich eine Mobilitätswende einleiten. Die kann nur mit einem guten ÖPNV gelingen. Packen wir es an!

Mit freundlichen Grüßen

Stefanie Auer, Boris Burkert, Diana Niebrügge, Dr. Achim Spechter, Karl Synek, Dr. Stefanie Wehner, Matthias Weigl

Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

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